Topfschlagen für Erwachsene

Marie-Thérèse Gudenus

KOCHKURSE: Der Traum, wie Maître Bocuse den Kochlöffel zu schwingen und kulinarische Kunstwerke zu kreieren, muss kein unerfüllter bleiben: Immer mehr österreichische Köche veranstalten Seminare für angehende Selbstversorgungsgourmets. 

Dass Liebe durch den Magen geht, ist eine alte Weisheit - daran kann es also nicht liegen, dass in den vergangenen Jahren ein regelrechter Boom bei Kochkursen ausgebrochen ist. Die Nachfrage sprengt die manchmal ohnehin recht großzügigen Teilnehmerkapazitäten, der Preis scheint kaum eine Rolle zu spielen. Aber: Lernt man/frau bei solchen Kochseminaren tatsächlich etwas? Das ALBUM wollte es genau wissen und ließ ohne Rücksicht auf die Figur der Testerin eine Reihe heimischer Kochkurse überprüfen. 

Da sich die angebotenen Seminare im Hinblick auf Dauer, Themen und Gestaltung sehr voneinander unterscheiden, wurde bei der Beurteilung von einer Platzierung (Bester bis Schlechtester) Abstand genommen. Vielmehr soll anhand einer Schilderung des Ambientes den p.t. LeserInnen eine Entscheidungshilfe vermittelt werden, welcher Kurs für welchen Typ KochschülerIn am besten geeignet scheint. 


An Mutters Herd:

Sissy Sonnleitner führt im kärntnerischen Kötschach-Mauthen ihr "Landhaus Kellerwand". Obwohl sich ihre Küche weder puncto Größe noch puncto Anmutung besonders von einer Privatküche unterscheidet, läuft hier das Kochseminar parallel zum normalen Restaurantbetrieb ab. Das bedeutet, dass neben maximal sechs Wissbegierigen und ihrer Lehrmeisterin auch Chefkoch Christian Flaschberger und mindestens zwei Lehrlinge an den knapp bemessenen Arbeitsflächen zugange sind. Klar, dass hier alles strategisch ablaufen muss: Jeder Kursteilnehmer bekommt a) Schürze und Hangerl, b) einen Platz, c) das Rezept für eine Speise des Menüs und d) die dafür bereits abgewogenen Zutaten. Unter den wohlwollend-kritischen Blicken Sonnleitners, die in jeder Hinsicht mütterliche Autorität ausstrahlt, versucht ein jeder nun, so zu kochen wie die "Köchin des Jahres 1990". Betonung auf "versucht", denn "Eier und Zucker schaumig rühren, heißt, dass die Masse wirklich einen weißen Schaum bildet", erklärt Sonnleitner. "Das da (gelblich-breiiger Beginn eines Kürbiskuchen-Teigs, Anm.) muss noch mindestens fünf Minuten weitergerührt werden." 

Fazit: Der dreitägige Kurs (es gibt auch eintägige) ist eigentlich ein luxuriöser Kurzurlaub mit kulinarischer Animation. Vorsicht: Wer vor lauter Konzentration auf das "eigene" Rezept verabsäumt, immer wieder nach rechts und links zu spähen, dem entgehen leicht wesentliche Zubereitungstricks bei den anderen. 
Ablauf: Vormittags und nachmittags wird jeweils ca. zwei Stunden gekocht, dann ziehen sich die Kochschüler "zum Frischmachen" zurück und bekommen anschließend die Menüs im Restaurant serviert. Termine: saisonabhängig. Dauer: jeweils drei Tage. Teilnehmer: max. acht. Seminarkosten: EURO 480,- (inklusive dreitägigen Aufenthalts mit allen Mahlzeiten, dazu passenden Getränken und Seminarunterlagen; Tagesseminare siehe Internet). 
Sissy Sonnleitner, "Kellerwand", 9640 Kötschach-Mauthen, 
Tel. (04715) 269, www.sissy-sonnleitner.at


Im Operationssaal:

Ganz anders, nämlich durchgestylt-professionell, präsentiert sich Toni Mörwalds Reich in der "Traube" im niederösterreichischen Feuersbrunn. Edelstahl, so weit das Auge reicht. Hier könnte man tatsächlich vom Fußboden essen, so blitzt und glänzt es rundum. Dazu passt das Gebaren des Chefs, das an andere Götter in Weiß erinnert: "Spitzsieb! Salz! Stabmixer!" Mitköchin Ariane hält das Gewünschte sofort griffbereit parat. Dass Mörwald und seine Crew blendend eingespielt sind, ist kein Wunder: Seit elf Jahren finden jeden Mittwoch die Seminare des Haubenkochs statt. Bis zu 40 (!) Schüler kamen da manchmal zusammen, was der Informationsvermittlung nicht gerade förderlich war. Nun gibt es ein Limit von 20 Personen, die in der neuen, großen Küche genug Platz zum Arbeiten finden. Müssen. Denn Meister Mörwald pflegt mitten im Rühren den Schneebesen fallen zu lassen in der Erwartung, dass der oder die neben ihm Stehende das Werkzeug fängt und damit weiter hantiert. Er selbst eilt zum nächsten Platz, demonstriert z.B., wie man den Teig in die Nudelmaschine führt, und - "machen Sie bitte hier einmal weiter?!"

Fazit: Wer viel fragt und gut zuhört, auch wenn Mörwald gerade am anderen Ende der Küche werkt, lernt eine Menge. Wer sich für wenig inspirierende Tätigkeiten wie Gemüse putzen einteilen lässt, ist selbst schuld. 
Ablauf: Die Gänge werden nacheinander gekocht und angerichtet, jeder schnappt sich einen Teller und verspeist das Menü - sozusagen scheibchenweise - mit dem passenden Wein im Restaurant. Termine: jeden Mittwoch. Dauer: 17-22 Uhr. Teilnehmer: max. 20. Seminarkosten: EURO 80,- (inklusive Apero, Rezepte, Menü & Wein, Urkunde). 
Toni Mörwald, "Zur Traube", 3483 Feuersbrunn, 
Tel. (02738) 22 98-0, www.moerwald.at


Im Klassenzimmer:

Wie schon der Name "Erste Steirische Kochschule" verrät, laufen die Seminare bei Willi Haider im steirischen Kalsdorf ziemlich geregelt ab: Die Schüler sitzen auf Barhockern aufgefädelt vor dem Herrn Lehrer, der hinter seinem Küchenblock steht und jeden einzelnen Handgriff erklärt. Schwätzen ist erlaubt (wenn auch nicht empfehlenswert, weil man womöglich etwas Wichtiges verpasst), Zwischenfragen sind explizit erwünscht. Ach, hätten wir nur solche Lehrer in der Schule gehabt! Mit viel Humor räumt "Zweihäuber" Haider mit falschen Klischees auf ("Fleisch ins kalte Wasser gibt gute Suppe, ins heiße Wasser gutes Fleisch? Schmarrn!"), gibt handfeste Tipps ("Wenn man Zwiebel dünstet, schmeckt er die erste halbe Stunde fad, dann süß, und erst nach drei Stunden richtig") und scheut auch Tabuthemen wie Suppenwürfel und Glutamat nicht. Und weil die Schüler "logisch kochen" sollen, stellt Lehrer Haider permanent Fragen: "Warum verarbeitet man frischen Fisch nicht sofort, sondern erst nach 24 Stunden? Na, weil die Totenstarre den Fisch in der Pfanne sonst in ein Schaukelpferd verwandelt."

Fazit: Der Kurs ist zu gut, um keinen Haken zu haben. Der besteht darin, dass die Haiderschen Kochseminare langfristig ausgebucht sind. Es werden aber immer wieder Plätze frei - einfach einige Tage vor Beginn des jeweiligen Kurses (Themenplan im Internet) anrufen und fragen! 
Ablauf: Eine repräsentative Auswahl von Gerichten zum jeweiligen Kursthema (im Test: Suppen) wird parallel gekocht und nach Fertigstellen verzehrt (im Test: zwölf Tassen!). Termine: täglich. Dauer: jeweils sechs Stunden. Teilnehmer: max. 15. Seminarkosten: EURO 109,- (Praxiskurse; andere siehe Internet). 
Willi Haider, "Erste Steirische Kochschule", 8401 Kalsdorf, 
Tel. (03135) 522 47, www.kochschule.at


Im Freundeskreis:

Was die Kochkurse von Bernhard Hauser, Küchenchef des legendären "Döllerer", am meisten von denen seiner Kochkollegen unterscheidet, ist, dass man sie sozusagen auch à la carte bekommt: Ein Grüppchen von Kochbegeisterten kann jederzeit ein Privatissimum zu einem selbst gewählten Thema buchen. Allerdings sind auch die wenigen, von dem trotz dreier Hauben bescheiden gebliebenen Koch selbst zusammengestellten Kurse sehr empfehlenswert: Eine breit gefächerte Menü-Zusammenstellung - Suppen und Fonds, Fisch und Fleisch, Mehlspeis' und Eis - vermittelt grundlegendes Wissen in den wichtigsten Gebieten. Wer will, kann mit anpacken, Hummerscheren aufknacken und "seinen" gefüllten Schweinsfuss selbst einrollen; wer lieber zuschaut, kann auch das. Zwischendurch immer wieder schnuppern ("Der Alkohol in der Wildsauce muss total verkochen"), kosten ("Jetzt schmeckt die Suppe langsam nach Hummer") und ein Schlückchen Sekt - so macht Kochen Spaß! 

Fazit: Ein Koch ohne Allüren, ein Kurs ohne Schnickschnack, ein Privatseminar (ab sechs Personen) ohnegleichen. 
Ablauf: Kochen und Essen der vier Gänge des Menüs wechseln einander ab. Termine: vier bis fünf pro Jahr. Dauer: 13-18 Uhr. Teilnehmer: max. zwölf. Seminarkosten: EURO 125,- (inklusive Rezepte, Menü & Wein). 
Bernhard Hauser, "Döllerer", 5440 Golling, 
Tel. (06244) 42200, www.doellerer.at


In der Puppenküche:

Gutes Essen fängt mit guten Lebensmitteln an, predigt auch Küchenchef Jürgen Wolf vom Gasthaus Horvath, das - am hintersten Ende des Wiener Naschmarktes gelegen - diesbezüglich an der Quelle sitzt. Bis vor kurzem pflegte er seine Schüler zum Einkaufen mitzunehmen; und auch wenn er davon mittlerweile abgekommen ist ("Es war eine Schlepperei und hat zu lang gedauert"), wird doch die Zusammenstellung des Menüs mit den Kursteilnehmern eingehend erörtert, ehe es in die - für Profibetriebe winzige - Küche geht. Wie alle seine Kollegen betont auch Wolf, dass es in der Küche "keine Abfälle, sondern nur Anfälle" gebe: anfallende Gemüseschalen, zum Beispiel, landen nicht im Biomüll, sondern im Topf für Suppe oder Saucenfonds. Solche Ratschläge, gepaart mit viel Ermunterung ("Es misslingt nichts, es wird höchstens anders!") und jeder Menge Tipps und Tricks ("Gequetschter Knoblauch wird viel schneller bitter als geschnittener") sorgen für nachhaltige, praktische Anwendbarkeit des Gelernten. Netterweise macht Wolf auch aus seinen Bezugsquellen und Nachschlagewerken kein Geheimnis.

Fazit: Experimentieren, improvisieren, gustieren - dank kleiner Gruppen und einem begeisterten Küchenchef gilt hier das Motto "Alles ist möglich". 
Ablauf: Neben dem Zubereiten der einzelnen Gänge finden "Ausritte" in verwandte Themenbereiche statt. So wird z.B. übungshalber ein Rochen filetiert, den später die Restaurantgäste serviert bekommen. Mittags gibt's einen Imbiss, abends - gangweise - das große, selbst gekochte Menü. Termine: zweimal im Monat, jeweils Samstag, 10 Uhr. Teilnehmer: max. acht. Seminarkosten: EURO 150,- (inkl. Rezepte, Mittagessen, viergängiges Abend-Menü & Wein). 
Jürgen Wolf, "Horvath", 1050 Wien, Tel. (01) 585 73 00, 
www.gasthaushorvath.at

*) Jeder Artikel spiegelt die ganz persönlichen Erfahrung der AutorInnen wider. 

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© DER STANDARD, 28. September 2002

PresseAnna Neumeister